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Tanz den Fango mit mir

Die Geschichte meines Rückens

Erschienen am 11.05.2009
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442311910
Sprache: Deutsch
Umfang: 190 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 20.3 x 12.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Ein Mann, ein Buch, ein Vorfall! Christian Zaschke ist Mitte dreißig, als er eines Tages feststellt, dass sich zwei seiner bis dahin wenig beachteten Bandscheiben definitiv nicht mehr da befinden, wo sie hingehören. Klingt nicht besonders witzig, und achtzig Prozent der Deutschen sind mit dem Phänomen mehr oder weniger vertraut, weil sie mindestens einmal im Leben an starken Rückenschmerzen leiden. Besonders witzig wird es dann aber doch, wenn man wie Zaschke auf eine nicht repräsentative Auswahl dieser achtzig Prozent trifft, die in einer Reha-Klinik in Bad Aibenhausen versucht, die Sache wieder in den Griff zu bekommen. Er erzählt von seiner absurden Reise durch eine ganz eigene Welt - eine unverschämt lustige Geschichte, auch wenn sie nicht den Schmerz verschweigt, den zwei Bandscheibenvorfälle bedeuten. Zaschke begegnet seltsamen Ärzten, skurrilen Patienten, schweigsamen Masseuren, einem einarmigen Banditen und erstaunlich vielen Menschen voller Lebenslust und Humor, die ihn auf seiner Tour de Force auf dem Weg zur Genesung begleiten. Wenn man dieses Buch liest, wünscht man sich fast, es auch mal so richtig am Rücken zu haben. Aber das dann doch nur fast.

Autorenportrait

Christian Zaschke, geboren 1971 in Düsseldorf, arbeitet als Sportreporter bei der Süddeutschen Zeitung. Er studierte diverse Geisteswissenschaften in Kiel, Edinburgh und Belfast. Zaschke ist Co-Autor der beiden Spiegel-Bestseller "Fußball Unser" und "Ein Mann, ein Buch". Er lebt in München.

Leseprobe

Ich sollte wohl noch schnell ein, zwei Worte über mich selbst verlieren, bevor die Reise losgeht: Ich bin, da ich dies schreibe, 36 Jahre alt, ich bin 1,86 Meter groß, wiege 84 Kilogramm und habe eher breite Schultern. Ich bin ein sportlicher Typ, ich habe Zähne, von denen der Zahnarzt sagt, ich würde sie noch mit 80 im Mund tragen, ich habe mir noch nie einen Knochen gebrochen. Ich fahre sehr viel mit dem Fahrrad und - das werden Sie jetzt nicht glauben - nehme dabei Rücksicht auf Fußgänger. Ich wohne im fünften Stock ohne Aufzug und steige die Treppen mit einem Lächeln hinauf, und obwohl ich ein Fußballer mit, sagen wir, bescheidenen Mitteln bin, gelang es mir, im Ausland den Ruf der deutschen Innenverteidiger zu wahren und sogar zu mehren. Nicht zuletzt gehöre ich zu den weltbesten Taktikern des Spiels Kniffel, und normalerweise bin ich nicht so ein Angeber wie gerade jetzt. Hat alles nichts genützt: Es hat mich trotzdem erwischt. Am Rücken. Bitte nehmen Sie kurz Platz Links neben der automatischen Tür, die sich munter öffnete und schloss, als wolle sie sagen: Na los doch, komm schon rein, links daneben also hing ein Schild, sorgfältig beschrieben in einer Handschrift mit etwas zu vielen Schnörkeln: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass das Rauchen vor der Tür nicht gestattet ist." Vor der Tür. Ich hatte kein Verständnis, aber ich hatte einen Termin. Zwischen elf Uhr und ein Uhr sollte ich mich in Haus C einfinden, um meinen Reha-Aufenthalt in der Aibfeld-Klinik in Bad Aibenhausen anzutreten. Ich war mit dem Wagen gekommen, erst über die Autobahn, dann über Landstraßen und schließlich über die kleinen, kurvigen Straßen, auf denen man jedes andere Auto grüßen will, weil so selten eins kommt. Ich hatte versucht, auf die Landschaft zu achten, dann aber meistens nachgedacht, denn meine Fahrt war begleitet von einer leisen Sorge: Man hatte mich nicht operiert, und ich hatte schon im Krankenhaus gemerkt, dass ich damit nicht richtig dazugehörte. Da führte man auf dem Balkon, auf dem sich alle einfanden, die einigermaßen gehen konnten, ein anregendes Gespräch über dies und das (also zum Beispiel über die Vorzüge des Bandscheibenvorfalls an der Lendenwirbelsäule gegenüber dem an der Halswirbelsäule), und plötzlich fragte das Gegenüber jovial: "Und, wie lange ist die OP schon her?" Niemand sagt übrigens Operation, wer Operation sagt, wirkt in solchen Gesprächen wie ein Halma-Spieler im Schachklub. "Ich bin nicht operiert worden", sagte ich dann stets wahrheitsgemäß, und jedes Mal war die Antwort: "Oh." Es war die Art von "Oh", die sagt: Nicht operiert - wie können Sie da einfach so mitreden? Es war, als hätten wir über Fußball gesprochen, und nach einer Weile sagte mein Gegenüber: "Oh, Sie meinen Frauenfußball?" Daher halte ich fest: Ich war den weiten Weg gefahren, bis nach Bad Aibenhausen, ohne vorher operiert worden zu sein. Wenn Sie nun also das Buch mit einem leisen "Oh" weglegen wollen - bitte. Ich kann dazu nur sagen, dass die Nicht-Operierten oft den besseren Überblick in Rückenfragen haben, aber das werde ich später erklären. Eine Weile habe ich auf die OP-Frage geantwortet: "Noch nicht", weil ich vielleicht eine leise Ahnung hatte und weil ich glaubte, man würde mich etwas ernster nehmen. Das war noch schlimmer. So erntete ich neben Enttäuschung und Mitleid auch noch Abscheu. "Noch nicht" klang in den Ohren der Operierten nach dem Schuldner, der ewig sagt, er zahle morgen. Ich habe das "noch nicht" wieder eingestellt, und eines kann ich sagen: Ich habe nie gelogen in dieser Angelegenheit, obwohl es mir viel Verachtung eingebracht hat. Nun wäre noch eine zweite Sache zu klären. Alsdann: Ich bin bei der AOK versichert. Ich bin das, was - laut eines Buches, in dem ein Arzt über Ärzte schreibt - mancher Arzt ein AOK-Schwein nennt (und ich habe einen Arzt erlebt, der mich am liebsten AOK-Drecksarsch-hau-abaus-meiner-Praxis-bist-du-überhaupt-operiert-du-Schwein genannt hätte und mich auch so behandelte). Ich bi Leseprobe